Mark Knopflers Alterswerk: Der wohlige Sound des Abschieds (2024)

Früherer Dire-Straits-Sänger liefert ein Füllhorn an Musik

Mark Knopflers Alterswerk: Der wohlige Sound des Abschieds

Mark Knopflers Alterswerk: Der wohlige Sound des Abschieds (1)

Einer der großen Gitarristen (und Stimmen) des Rock 'n' Roll: Mark Knopfler, berühmt geworden als Gründer und Frontmann der Dire Straits, veröffentlicht heute (12.April) sein neues Studioalbum „One Deep River“.

Quelle: dpa

Der Songwriter und Gitarrenvirtuose Mark Knopfler erzählt auf seinem zehnten Soloalbum von traurigen Abschieden und dem schönen, schweren Job des Musikanten, den er in Zukunft nicht mehr komplett ausfüllen möchte. Er hat noch ein zweites Großprojekt am Start.

Die Seele des Freundes strebt nach Ruhe, gemeint ist wohl die ewige. Engelhafte Frauenchöre seufzen zur sonoren Stimme des Sängers, seine Gitarre spricht wie im Traum. „Aber dein Licht wird weiterbrennen wie der Abendstern / und dein Lied wird immer wiederkehren / wo immer du dann bist.“ Mark Knopfler klingt wohlig, auch ein wenig wehmütig, nicht nur beim Titellied seines neuen Albums, „One Deep River“, einer Verneigung, einem Abschied. Er singt Lieder von Zügen – echten und metaphorischen, abfahrenden und auch mal überfallenen. Lieder über Lieder und Leute, die auf der Bühne ihre Musik machen.

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Mark Knopfler ist 74, das Timbre der späten Jahre in seinen Worten duftet wie Tabak, und es ist egal, was er singt – man hört zu. Seine Stimme ist immer eine raue und behutsame Schmeichlerin, sie liebkost geradezu das Ohr des Hörers. Man fühlt sich wohl, füllt sie den Raum. Auch seine Brit-Americana, diese mit seiner luziden Gitarre untrüglich markierten vorgeblich bescheidenen Gespinste aus Folk, Blues, Country macht es einem behaglich. Entspannter Rock ‘n‘ Roll, der sich unmerklich in den Kopf schleicht.

Die Gypsys werden lächeln, die Dichter werden träumen ...

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„One Deep River“ ist ein Altersalbum, keine Frage. Es ist persönlich, von Kritik an Zeitläufen, von den Krisen und Kriegen, der allgemeinen Endzeitdepression ist wenig zu hören. Das folkige „This One‘s Not Going to End Well“ mit Fiedel und flüsterndem Schlagzeug erzählt aber dann doch, ohne Namen zu nennen, von Tyrannen und Trommeln, und dass ihr Gebrüll und ihr martialischer Schlag endlich sind. „Die Gypsys werden lächeln, die Dichter werden träumen“, singt er, wenn die Herrschaft der alten Lügen vorbei ist. Aber erst einmal muss „die Geschichte aus der Hölle zurück“.

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Wie auch die Erinnerungen. Die im walzernden „Black Tie Job“ an seine Zeit als Schreiber für den „Evening Chronicle“ in Newcastle, wo man sich für Nachrufe die schwarze Redaktionskrawatte umlegte. Im Countryshuffle von „Before My Train Comes“ hängt einer seiner Waffen an den Nagel und verlässt das Gefechtsfeld einer Beziehung. Nichts hier ist schmerzvoller als „Watch Me Gone“, eine Ballade wie eine Trauerweide, die auf Bruce Springsteens „Western Skies“ gepasst hätte. Ein Zug verlässt den Bahnhof, einer geht für immer, während die Geliebte noch schläft. Er muss seiner Bestimmung folgen, sein Herz gehört seinen Songs, er kann das nicht teilen.

Auch in der Begleitband der Legenden spielen Legenden

Mark Knopfler macht sich derzeit selbst Konkurrenz. Das Album steht im Schatten einer Single, die nicht darauf enthalten ist. Für den britischen Teenage Cancer Trust und Teen Cancer America hat er „Going Home“ noch einmal eingespielt. Das Instrumentalstück aus dem Kultfilm „Local Hero“ ist Knopflers wohl bekannteste Soundtrackarbeit.

Geholfen haben ihm bei der neunminütigen Neuversion 54 Gitarristinnen und Gitarristen. Virtuosen von David Gilmour über Brian May bis Jeff Beck (seine letzte Aufnahme), von Buddy Guy über Joe Bonamassa bis John McLaughlin tragen ihr Scherflein bei. Die Fünfzigerjahrelegende Duane „Peter Gunn“ Eddy ist dabei, Joan Armatrading und Joan Jett.

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In der Begleitband der Großen spielen auch Weltstars: Ringo Starr ist am Schlagzeug, Sting am Bass und The-Who-Frontmann Roger Daltrey spielt die Mundharmonika. Spezielle Aufmerksamkeit gab‘s obendrein, weil das Artwork von Sir Peter Blake stammt, dem Künstler des Covers von „Sergeant Pepper‘s Lonely Hearts Club Band“. An so einem Legendissimo-Großprojekt muss sich ein leises, entspanntes Songwriteralbum erst einmal vorbeiarbeiten.

Knopfler schüttet insgesamt viel aus. Es gibt eine Vinylversion von „One Deep River“ mit vier Bonustracks, auf CD-Editionen gibt es fünf andere zusätzliche Nummern. Und zum Record-Score-Day am nächsten Samstag erscheint die EP „The Boy“ mit vier neuen Songs über die Welt von Knopflers Jugend – über Jahrmärkte und die Boxkämpfe dort. Ein Album und ein Schattenalbum – die Lust am Liederschreiben ist Knopfler ganz offenkundig nicht ausgegangen.

Hundert Jahre her - Knopfler besingt einen Eisenbahnüberfall

Und er ist ein vorzüglicher Storyteller. „Tunnel 13″ erzählt die wahre Geschichte der DeAutrement Brothers, dreier Holzfäller in Oregon, die 1923 einen Eisenbahnüberfall auf die Southern Pacific Railroad verübten. Ohne Beute, mit der Bilanz von vier kaltblütig ermordeten Zeugen, an deren Namen und Aufgaben Knopfler ebenso erinnert wie an die jahrelange Jagd auf die Mörder. Eine Moritat erbracht in dunklem Erzählgesang mit gelindem Pathos und einer überraschende Pointe: Die Gitarre des Sängers ist aus „beautiful redwood“ aus der Nähe des verhängnisvollen Tunnels Nummer 13.

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Und in der luziden Folkballade „Sweeter Than The Rain“ erzählt er von einem Wildwest-Vigilanten auf der Fährte eines gnadenlosen Verbrechers. Der Komplize verrät dem Verfolger im Sterben den Aufenthalt seines Ziels. Was danach passiert, muss sich der Hörer dieser brüchigen Flüsterstimme ausmalen, der Killer schließt stattdessen mit einem Bild des ausklingenden Winters – als Metapher für die vollzogene Rache.

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Das Leben des fahrenden Sängers ist für Knopfler vorbei

Auf Tour will er nicht mehr gehen. Das sei vorbei, sagt Knopfler. Mit der Auktion seiner Gitarren, die im Februar mehr als acht Millionen Pfund brachte, hat er seine Entscheidung unterstrichen. Unter den Schätzen war auch die Les Paul von „Brothers in Arms“. Sein Wunsch: Mögen sie gute Besitzer und Besitzerinnen finden, die sie spielen statt sie wegzuschließen.

Die Songs „Two Pairs of Hands“ über die vier Hände, die man bräuchte, um auf der Bühne alles perfekt zu machen und „Ahead of The Time“ über die großartigen Bands in Nashvilles Clubs, die ihr Talent daran verschwenden, fremde Hits zu spielen, sind also auch Abschiedssongs – irgendwie. Dabei erinnern sie an seine Anfangstage, als Knopfler, Frontmann der Dire Straits, den ultimativen Song über konzertierende Musiker aufnahm, und ihn mit einem wirbelnden Gitarrensolo zu einem der besten Rock-‘n‘-Roll-Songs aller Zeiten veredelte. Der Kreis schließt sich.

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Es war der Song, der 1978 alle aufhorchen ließ. Ein neuer, perlender Sound kam mit diesem atmosphärischen Sechsminüter über eine Jazzband in London aus dem Radio, über Harry, der den „honkytonk like anything“ spielte, über „Guitar-George, der alle Akkorde draufhatte“, und über die mächtigen Bläser, „blowing that sound“. Man fühlte sich damals, als sei man selbst vor dem Regen in diesen Klub am Südufer der Themse geflüchtet.

Die rote Stratocaster, die er bei „Sultans of Swing“ spielte, hat Knopfler behalten.

Mark Knopfler: „One Deep River“ (British Grove Records)

Mark Knopfler‘s Guitar Heroes: „Going Home – Theme From ‚Local Hero‘“ (BMG)

Mark Knopflers Alterswerk: Der wohlige Sound des Abschieds (2024)
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Author: Arline Emard IV

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